„Mein Weg nach Deutschland – mein Weg ins deutsche Leben“

07.08.2018 07:00

Die gebürtige Römerin Janette Camosso kam mit ihrer Familie 2012 von Großbritannien nach Ottobrunn. Hier schreibt sie über Heimat, Fernweh und frühe Reisen durch die deutsche Sprache.


Das Jahr 2012 begann, als wir uns in Bayern niederließen. Ein bitterkalter Winter erwartete uns. Nie hätte ich gedacht, dass ich eines Tages zitternd an einer Schulbushaltestelle bei minus 24 Grad Celsius stehen würde! Bei einem Besuch in München im April des vorausgegangenen Jahres hatten die Temperaturen die 30er Marke erreicht, und meine Familie war zu dem Schluss gekommen, dass das, was man uns über harte bayerische Winter erzählt hatte, nur Unsinn wäre.

Es war nur der Anfang einer steilen Lernkurve. Komplexe Verwertungsregeln, Pfandsymbole. Die große Bedeutung des Frühstücks! Und Ruhezeiten. Kein Mähen am Sonntag, bitte!

Und dann war da noch die Sprache: Da ich weder die Möglichkeit hatte, in der Schule Deutsch zu lernen, noch eine Notwendigkeit sah, dies später zu tun, erreichte ich meine Vierziger mit insgesamt vier mäßig nützlichen deutschen Wörtern, nämlich: „ja“, „nein“, „Kartoffeln“ und „verboten“. Andere importierte Wörter in die englische Sprache nicht mitgezählt, sie waren mir so vertraut, dass ich nicht viel über ihre sprachliche Herkunft nachgedacht hatte, zum Beispiel „Gestalt“, „kaputt“, „Delikatessen“, „Leitmotiv“, um nur einige zu nennen.

Nachdem ich mit Englisch und Italienisch aufgewachsen war, wurde mir schnell klar, dass der Erwerb von Deutsch nicht einfach sein würde. Ich hatte sowohl in der Schule (Französisch) als auch als junger Erwachsener (Spanisch) vergleichsweise leichten Zugang zu romanischen Sprachen. Die grammatikalische Kommunikation in der deutschen Sprache, auch auf der Basisebene, sollte sich jedoch als anspruchsvoller erweisen.

Deutsch als Erwachsener zu beginnen, kann schwierig sein. Leider war das Lateinstudium in der Schule nicht die große Hilfe, die mir viele versichert haben! Es ist komisch, den Muttersprachler zu fragen: "Also ist das ein Verb mit Dativ?" Nur um die verwirrende Antwort zu bekommen: "Keine Ahnung! Das sagt man so."

Aber mein geselliges Wesen und meine Liebe zum Humor haben mir geholfen, die Komplexität der deutschen Syntax und die unangenehm klingende indirekte Rede hautnah zu erleben. (Mehrere Muttersprachler haben gestanden, dass sie sich nicht ganz sicher sind, was letzteres ist!)

Das Lernen in einer Gruppe hat mir enorm geholfen. Dank mehrerer aufeinanderfolgender und unterhaltsamer VHS-Kurse bis zum Niveau B2 wurde meine anfängliche Angst, nicht zu verstehen und nicht verstanden zu werden, allmählich durch eine vorsichtige Begeisterung und wachsende Neugierde ersetzt.


Es hilft, viele interessante Menschen mit unterschiedlichem Sprachhintergrund getroffen und neue Freunde gefunden zu haben, die diese sprachliche und kulturelle Reise mit mir teilen.

Meine VHS-Kursteilnehmer und ich stellten Fragen, die wir wahrscheinlich vorher nicht gestellt hätten. Wo beginnt und endet "gemütlich" mit seinen viele Einsatzmöglichkeiten? Wie viel haben die deutschen Wörter "Heimat" und "Fernweh" eigentlich mit "Saudade" zu tun (aus dem Portugiesischen, was etwa ein melancholisches Gefühl der Unvollständigkeit oder eine nostalgische Sehnsucht nach einem vertrauten Ort bedeutet)? Die Möglichkeit, eine fremde Kultur zu erkunden, hat sich für mich als große Treibkraft erwiesen, ebenso wie der Wunsch, mein Deutsch eines Tages am Arbeitsplatz effektiv einzusetzen.

Rom, meine Geburtsstadt, wurde nicht an einem Tag erbaut, also keine Torschlusspanik! Meine Reisen durch die deutsche Sprache brauchen Zeit. Nachdem ich akzeptiert habe, dass ich nie ein quasi muttersprachliches Niveau erreichen werde, erweist sich diese sprachliche (und kulturelle) Reise dennoch als lohnend, mehr als ich es vor 6 Jahren für möglich hielt. Einmal in der Woche genießen Tamara, meine Sprach-Tandem Partnerin, und ich eine entspannte Stunde des Gesprächs und der gegenseitigen Korrektur (Deutsch-Italienisch), bei einem guten Kaffee!

Meine Gedanken wandern manchmal zurück zu einem deutschen Vorfahren, der Mitte des 19. Jahrhunderts seine Heimat, eine Bergbaustadt im Oberharz, verließ, auf der Suche nach einem neuen Leben, in einem Land namens Australien, Ozeane entfernt. In gewisser Weise bin ich nach Hause zurückgekehrt. Was hätte Willem aus meinen Bemühungen gemacht? Ich frage mich, wie ein Gespräch mit ihm wohl gewesen wäre.


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