Der Koran ruft

29.01.2019 15:51

Bismillah i Rahman i Rahim… (Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmers…).

Diese Worte hört man selten in bayerischen Ratssälen. Anders am 24.1.2019 in Ottobrunn. Hier lädt die VHS Südost im Landkreis München gemeinsam mit dem Deutsch-Islamischen-Kulturkreis Ottobrunn e. V. den Philosophen und Koranübersetzer Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi ins Wolf-Ferrari-Haus nach Ottobrunn ein.

 

Dem Ruf folgen knapp hundert Interessierte, die von seinen Ausführungen über den Koran verzaubert sind. „Der Koran - Grundlage des Islam und poetische Schönheit“ ist der Titel und sein Thema. Professor Karimi zeichnet in einem lebendigen einstündigen Vortrag mit anschließender Diskussion, sein Bild des Koran. Es ist ein lebendiges und vereinendes Bild, eines voller Widersprüche und Schönheit.

 

Bismillah i Rahman i Rahim… Diese Worte sind die ersten die im Koran erklingen. Denn der Koran - auch das macht der Professor deutlich - ist zuallererst mündlich überliefert, erst nach drei Generationen gibt es eine erste schriftliche Fixierung, die fast identisch mit der heutigen Fassung ist. Fast? Ja, nur fast - es fehlten noch die Punktionen für die kurzen Vokale und Interpunktion. Die Schriftform war damals eine bloße Gedächtnisstütze für Diejenigen, die die Verse (Suren) bereits auswendig kennen. Die Suren werden vorgetragen und erhalten so je nach Vortragendem eine unterschiedliche Bedeutung.

 

Und das ist gleichzeitig, so der Professor - das Wundervolle am Koran. Die unterschiedliche Interpretierbarkeit der Suren, abhängig von der Lebensrealität der jeweiligen Muslime und im spezifischen historischen Kontext. Über Jahrhunderte wurde dies auch zelebriert. Erst in unserer Zeit, mit Erstarken des Fundamentalismus, gibt es die eindimensionale Lesart.

 

Dies ist wohl die Kernaussage von Professor Karimis Vortrag. Der Koran gibt dem Menschen nicht die „Eine Wahrheit“, sondern sie muss immer im Kontext gesehen werden. Was in Damaskus galt, galt nicht unbedingt in Bagdad und so kann jeder Einzelne seinen Teil der Wahrheit erfassen.

 

Und das ist nach seinen Ausführungen auch das Poetische am Koran: Die Wirkung, die die Zeilen auf den Zuhörer ausüben und ihn für den Weg - den geraden, begeistern.

 

Eingerahmt werden seine komplexen und erstaunlichen Aussagen, von der lieblichen Stimme Delila Durmics, die Gotteslieder in verschiedenen Sprachen singt. Und nicht nur für die Ohren gibt es Schmankerl, auch für die Gaumen ist gesorgt. Zum Abschluss finden sich diverse Grüppchen, die sich durch Blätterteigtaschen, Oliven und Tee gestärkt über das gehörte austauschen.   

 

Der gesamte Vortrag ist im Internet auf Youtube verfügbar.

 

 

Text und Bilder: Christian Gorn   


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